Montag

Hollande muss historischen Kompromiss mit Merkel finden


Was bedeutet der Wahlsieg Hollandes für das deutsch-französische Verhältnis? Europäische Zeitungen beschäftigen sich in ihren Kommentaren ausführlich mit der neuen Achse Paris-Berlin. 


  
Paris - In Frankreich haben die Wähler für einen Machtwechsel gestimmt - wie wird sich der neue Präsident François Hollande in der Euro-Krise Verhalten? Wie wird er mit Kanzlerin Angela Merkel zusammenarbeiten? Europäische Blätter beschäftigen sich in ihren Kommentaren ausführlich mit dem neuen Gespann "Merkollande".


Die konservative britische Zeitung "The Times" schreibt zum Wahlsieg von Hollande:


"Hollande predigt Wachstum statt Sparsamkeit und wird gleich bei seinem ersten Besuch in Berlin in der kommenden Woche damit beginnen. Hollande spielt mit dem Feuer. Besonders gefährlich ist seine Drohung, den Stabilitätspakt in Stücke zu reißen, der in diesem Jahr als Grundlage für die Rettung Griechenlands vereinbart wurde. (...) Merkel muss die neue politische Realität akzeptieren, Hollande muss die unveränderte wirtschaftliche Realität erkennen. Die EU-Regierungen müssen auch einsehen, dass der Abbau der Schulden zwar entscheidend, aber nicht genug ist: Es muss auch Wachstum gefördert werden."
Die "Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz kommentiert: 


"Nicht zuletzt muss Hollande zeigen, dass er bei der Bewältigung der Euro-Krise konstruktiv mitarbeiten will und namentlich keinen unnötigen Streit mit Deutschland sucht. Im Wahlkampf hat er mit seinen Seitenhieben gegen Kanzlerin Merkel und seiner Forderung nach Neuverhandlungen des Fiskalpakts für Verunsicherung über den künftigen Kurs Frankreichs gesorgt. Diskussionen über die richtige Balance zwischen Sparmaßnahmen und Wachstumsstimulierung sind unvermeidlich. Doch wäre es fatal, wenn Hollandes Triumph im restlichen Europa als Signal verstanden würde, dass man die Sanierung der Staatshaushalte auf die lange Bank schieben kann."
Die belgische Zeitung "De Standaard" meint:


"Die Siegesparty der Sozialisten fand zwar bei der Bastille statt, aber Hollande wird keine Revolution anzetteln: Auch seine Regierung kann sich dem europäischen Stabilitätspakt nicht entziehen, trotz seiner Pläne für zusätzliche Ausgaben. Wenn es dem neuen Präsidenten gelingt, eine gute Zusammenarbeit mit Berlin zustande zu bringen (...), kann sein Wahlsieg durchaus eine positive Wirkung für Europa haben. Das zu einseitige Mantra für Einsparungen muss ergänzt werden durch eine konkrete Agenda für Wachstum in Europa."
Von großen Aufgaben für Hollande schreibt auch die belgische Zeitung "De Morgen": 


"Wir schauen nun auf seine erste Berlin-Reise, wo er mit einer eisernen Frau Merkel einen historischen Kompromiss finden muss. Wegen der Parlamentswahlen in Griechenland werden die Gespräche in einem stürmischen Klima stattfinden. In dem Moment, in dem sich Hollande zum Sieger ausrufen konnte, wurde bekannt, dass linke Radikale und regelrechte Neonazis die Wahlen (in Griechenland) gewonnen haben. Das Land ist nun völlig steuerlos, wodurch Europa noch viel tiefer in die Krise zu gleiten droht. Europa ist seit gestern wieder etwas roter. Aber zugleich werden die Gewitterwolken über dem Kontinent noch dunkler."
Die Wahlen in Griechenland und Frankreich verknüpft das"Luxemburger Wort": 


"Weder in Griechenland noch in Frankreich entspricht der gestrige Wahlausgang der Wunschkonstellation der Befürworter eines stabilen Euro und eines unabdingbar gewordenen Konsolidierungskurses. In Paris sitzt ab sofort ein Mann an den Schalthebeln, der trotz eines gefährlichen Schuldenstandes den Staatsapparat und die Staatsausgaben weiter aufblähen will. In Griechenland droht das von der EU und vom IWF aufgelegte Hilfsprogramm, an internen Widerständen zu scheitern. Kurzfristig muss die Euro-Zone verhindern, dass das hellenische Parlament den Ausstieg aus dem Hilfsprogramm beschließen kann. Denn eine unkontrollierte Insolvenz des Landes würde Schockwellen aussenden, die Spanien, möglicherweise Italien und schlimmstenfalls Frankreich in arge finanzpolitische Bedrängnis bringen könnten."
Das österreichische Blatt "Kurier" analysiert die Situation für den künftigen französischen Präsidenten François Hollande wie folgt:


"Die Zeit für den Wahlsieger ist knapp bemessen: François Hollande steht unter scharfer Beobachtung der hypernervösen und misstrauischen Geldmärkte. Im Wahlkampf hatte er eingangs "die Finanzen" zu seinem "Feind" erklärt. Hollande hat im Wahlkampf auch einen scharfen Anstieg der Reichensteuern in Aussicht gestellt und sich gegen eine Aufweichung arbeitsrechtlicher Vorschriften verwahrt. Aber auch da hat sich der schlaue Pragmatiker Hintertüren offen gelassen und bereits Fühler ausgestreckt, um mit den Spitzen der Privatwirtschaft zu neuen Arrangements zu gelangen - unter Einbeziehung der Gewerkschaften, die Sarkozy zuletzt nur provoziert hatte."
Die österreichische Tageszeitung "Die Presse" schreibt: 


"Also eh kein Problem, dass Frankreich einen neuen, sozialistischen Präsidenten hat? Oh doch, schon ein Problem, ein großes Problem sogar. Denn mit François Hollande an der Spitze des französischen Staats wird jener Mix aus Austeritätsprogrammen und - durch kluge Steuerpolitik ermöglichten und erleichterten - Zukunftsinvestitionen, der jetzt nötig wäre, nicht stattfinden. Hollande glaubt fest daran, dass die Schuldenkrise durch noch mehr Schulden gelöst werden könne, wenn man das frisch gedruckte Geld nur möglichst direkt den Privatkonsumenten in die Hand drücke, statt es ihnen im Wege von Sparpaketen wegzunehmen. Der neue französische Präsident wird, ungeachtet der Tatsache, dass nicht einmal seine eigenen Anhänger ihm so etwas wie Charisma bescheinigen, sehr schnell zum neuen Säulenheiligen der europäischen Linken aufsteigen."
Die liberale dänische Tageszeitung "Politiken" glaubt, dass Merkel Hollande zum Sieg verholfen hat. 


"Glückwunsch an die Franzosen, die sich für einen Präsidenten mit anderen Werten als denen entschieden, für die Nicolas Sarkozy stand, oder zu denen er sich von der äußersten Rechten pressen ließ. Und Glückwunsch an den Rest Europas, das sich nun auf andere Werte und Prioritäten freuen kann als denen, für die Sarkozy stand oder zu denen er sich von seinen konservativen Kollegen und dabei vor allem von Angela Merkel pressen ließ. Vor allem wegen des Engagements der deutschen Kanzlerin war die französische Präsidentenwahl wie selten eine europäische Wahl. Umso markanter ist der Sieg von François Hollande ausgefallen."
In Frankreich selbst hofft die linksliberale Zeitung "Libération" auf Gesundung für das Land: 


"François Hollande muss jetzt dem Land Heilung bringen. Er muss die Gesellschaft erneuern und er muss die Ungleichheiten zwischen den Franzosen verringern, woher sie auch kommen. Um dies zu ermöglichen, muss er jedoch zuerst die Zukunft entwerfen. Er muss zeigen, dass Frankreich nicht nur aus Geschichte und einer glorreichen Vergangenheit besteht, sondern sich auch in die Zukunft versetzen und sich neu erfinden kann. Jetzt muss damit begonnen werden, dieses neue Blatt zu beschreiben, mit Entschlossenheit und Willenskraft, um das Vertrauensvotum nicht zu enttäuschen. Die Arbeit fängt gerade erst an und sie wird ab morgen hart sein. Doch heute können die Bürger glücklich sein und diesen schönen Monat Mai in tiefen Zügen genießen."
Die konservative Pariser Zeitung "Le Figaro" schreibt: 


"Jetzt wird also François Hollande Frankreich durch die gefährlichen Riffe einer gefährlichen Welt und eines krisengeschüttelten Europas lenken. Regieren bedeutet entscheiden und hauptsächlich Prioritäten setzen. Da müssen zunächst die öffentlichen Schulden eingedämmt und Wachstum gefördert werden. Es muss sofort klargestellt werden, dass Frankreich den europäischen Stabilitätspakt respektiert und bis 2013 das Defizit auf drei Prozent zurückschraubt. François Hollande wollte zu Recht dem Wachstum zusammen mit der Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt Priorität einräumen. Viele unserer Partner in Europa teilen diese Meinung, auch Angela Merkel. Allerdings muss man sich über die Voraussetzungen für dieses Wachstum einigen und die dafür erforderlichen Strukturreformen akzeptieren."

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